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Aus "Die wittembergisch nachtigal, die man iez höret überal"

Hans Sachs


 

 
 

Wacht auf, es nahent gen dem tag!
ich hör singen im grünen hag
ein wunnikliche nachtigal;
ir stim durchklinget berg und tal.
die nacht neigt sich gen occident,
der tag get auf von orient,
die rotbrünstige morgenröt
her durch die trüben wolken get,
daraus die liechte sunn tut blicken,
des mones schein tut sie verdrücken;
die ganzen hert schaf hat geblent,
das sie sich haben abgewent
von irem hirten und der weid
und haben sie verlaßen beid,
haben gehört des leuen stim
und seint auch nachgefolget im,
der sie gefüret hat mit liste
ganz weit abwegs tief in die wüste.
auch legt in der leu strick verborgen,
darein die schaf fielen mit sorgen.
da sie der leu dann fant verstricket,
zuriß er sie, darnach verschlicket.
zu solcher hut haben geholfen
ein ganzer hauf reißender wolfen,
haben die ellent hert beseßen
mit scheren, melken, schinden, freßen;
durchaus und aus die lange nacht
und sint auch allererst erwacht,
über der nachtigal gesang,
das sie meldt der sunnen aufgang,
davon sein künigreich ent nimt.
des ist der grimmig leu ergrim.

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© Hans Sachs